Netzwerke zwischen Stabilität, Flexibilität und Unverbindlichkeit

Buch: Richard Sennett: Together – The Rituals, Pleasures and Politics of Cooperation
Richard Sennett: Together
Shareconomy, Recommerce, Coworking, Crowdfunding, Collaborative Consumption, Open Data, Open Source und Copy/Paste.

Der Zeitgeist steht auf Nachhaltigkeit, Teilen, Communities und Selbstverwirklichung, bei gleichzeitig hohem Erfolgsdruck. Die „Digital Natives“ wollen angeblich Karriere und Familie und Sinn in ihrem Leben, zumindest wenn das Selbstvertrauen groß und die Existenzangst klein ist. Machtstrukturen in Unternehmen („command and control“) sind out, Netzwerke sind in und jeder „will/soll/muss“ das Maximum aus sich herausholen.

Doch Teamarbeit wird in Unternehmen schon seit den 1970er Jahren erprobt und mit „Teamentwicklung“ wird beim Teamgeist nachgeholfen. Denn so einfach ist erfolgreiche Teamarbeit dann doch nicht. Die Gruppendynamik sorgt dann doch schnell wieder für Machtstrukturen und Rollenverteilung: Anführer, Mitläufer, Außenseiter, Harmoniesierer, Spielverderber, Sündenbock usw. Netzwerke und freiwillige Kooperationen sind schwierige soziale Gebilde, lassen sich nicht über Egos, Anweisungen und Kontrolle führen, bieten wenig Verlässlichkeit und Sicherheit. Daneben steht die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Zusammenhalt. 

Soziale Kompetenz als Schlüsselqualifikation

Wir sind soziale Wesen in einer individualisierten Leistungsgesellschaft, aber immerhin soziale Wesen (zumindest ist das meine Überzeugung). Mit Wertschätzung, Empathie, sozialer Kompetenz entfalten Netzwerke weit mehr Power, Kreativität und Krisenfestigkeit als klassische Organisationen.

„Selbstständig aber nicht alleine arbeiten“ – diesen Satz habe ich mir vom CoWorking-Space „Die Zentrale“ (www.die-zentrale-ffm.de) ausgeliehen und er beschreibt m.E. die Bedürfnisse von Freelancern ganz treffend. Freiberufler wollen frei sein und nicht alleine, zumindest viele von ihnen.

Freelancer-Netzwerke

I love networks
I love networks
Was brauchen Freelancer-Netzwerke, damit sie als Gemeinschaft gut „funktionieren“? Gleichgesinnte, Sympathie, Engagement, Soft-Skills, gemeinsame Werte und Ziele, organisatorischer Rahmen, Bestätigung und Erfolg, … Wie ein Ökosystem brauchen Netzwerke Nährstoffe, mehr gute als schlechte Zutaten, um zu gedeihen.

Bei unserem letzten Netzwerk-Treffen sind wir auf eine ganze Menge offener Fragen gestoßen: welche Erwartungen, genug Engagement und Vertrauen, gemeinsame Entscheidungsfindung, Transparenz, Aufgabenverteilung, interne Konkurrenz und Projektverteilung, Kostenverteilung, Verantwortungsverteilung, rechtlicher Rahmen, Außendarstellung uvm. Für Verträge müssten diese Punkte wahrscheinlich geklärt werden, aber nicht um einfach anzufangen. Wir arbeiten gerne zusammen und wollen anfangen! In der tatsächlichen Zusammenarbeit lernen wir uns noch besser kennen und daraus wird sich eine Eigendynamik entwickeln und die nächsten Schritte ergeben sich „von alleine“. Das Kleingedruckte kommt später dran.

Also, engagiert euch! Gebt Projekte rein und macht was zusammen!

Netzwerk-Beispiele

Als Anregung liste ich mal die mir bekannten Arbeits-Gemeinschaften auf. Wo bekannt habe ich auch angegeben, wie diese mit den oben genannten Fragen umgehen.

Die Beispiele reichen von Genossenschaften und Soziokratie bis zum Unternehmens-Anhängsel, um sich mit „frischen Kräften“ zu versorgen, und Psychotests für transparente Persönlichkeitsstrukturen.

Premium Cola ist ein Kollektiv, das seit 2001 die Herstellung und den Vertrieb von Premium Cola betreibt. Das Kollektiv verfügt nicht über eigene Räume, Anlagen, Mitarbeiter oder Führungskräfte.Geschäftliche Angelegenheiten werden gemeinsam diskutiert und entschieden. Alles ist transparent für die Kollektivisten. Jeder, der nur eine Flasche Premium Cola gekauft hat, darf mitentscheiden. Dadurch will das Kollektiv die größtmögliche Fairness in der Umsetzung erreichen.

Zitat: „Praktisch lassen wir nur Menschen rein, die mindestens einen vorhandenen Kollektivisten persönlich kennengelernt haben.“
(https://www.premium-cola.de/kollektiv)

The Seed ist eine Kreativgenossenschaft mit Standorten in Weil am Rhein, Leipzig und Berlin. Kreativaufträge werden im eigenen Netzwerk ausgeschrieben. Die Kreativen bewerben sich auf die Aufträge und legen ihre Honorare im Projektteam fest. Die Genossenschaft bietet dem Netzwerk einen sicheren Rahmen für Akquise oder Administration. Wer mitbestimmen will, kann Genossenschaftsanteile kaufen und Verantwortung übernehmen.
(http://www.theseed.de/ Die erste netzwerkbasierte Kreativgenossenschaft Deutschlands)

Dark Horse ist eine Innovationsagentur, die aus dem zweiten Jahrgang des Hasso Plattner Instituts für Design Thinking hervorgegangen ist. Alle 30 Personen sind heute gleichberechtigte Gründer der GmbH. Sie arbeiten mindestens zwei Wochentage für das Unternehmen und erhalten dafür ein Grundeinkommen. Entscheidungen werden soziokatisch nach dem Konsent-Prinzip entschieden.
(http://www.thedarkhorse.de/)

Zitat, 3. Platz beim „New Work Award 2013“ für neue Konzepte der Arbeit: „Dark Horse Innovation ist radikal darauf ausgerichtet allen Mitarbeitern maximale Selbstentfaltungsmöglichkeiten zu bieten, gerade weil hier immer die Gemeinschaft im Mittelpunkt steht.“

EAT (Everybody – All – Together) is a global acting network of some 50 longtime experienced, interactive professionals. Such as designers, concept developers, web developers, 3D & motion specialists, audio designers, illustrators, photographers and project managers. Our open strucure enables us to scale from small units up to complete teams. The task of the Berlin based studio therefore is to supply the right setup and keep an eye on budgets, timelines and ressources to archieve a result that everybody is happy with.
(http://www.everybodyalltogether.com/)

Die TowerByte eG ist eine Genossenschaft von 24 eigenständigen Software-Unternehmen, die durch einen gewählten Vorstand und dessen Vorsitzenden geleitet wird. Stehen Wahlen oder Entscheidungen an, die die gesamte Genossenschaft betreffen, hat jedes Mitglied unabhängig von der Größe des Unternehmens eine Stimme. Firmeninterne Entscheidungen oder Vorgänge sind davon nicht betroffen. Jedes Mitglied der Genossenschaft hat sich auf einen oder mehrere Aspekte in der E-Commerce-Branche spezialisiert.
(http://www.towerbyte.de/)

Der Team Neusta Campus (2. Platz beim „New Work Award 2013“) soll offene und lebendige Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Auf dem 7.000 Quadratmeter großen Areal arbeiten kreative Selbständige, Gründer und unsere 500 Mitarbeiter in projektbezogenen Formationen zusammen. Diese Skalierbarkeit zwischen Unverbindlichkeit und Kooperation spiegelt die Lebens- und Arbeitswirklichkeit in der Kreativszene und IT-Branche wieder.
(http://www.team-neusta.de/coworking/)

Zitat: „Auf dem neusta-campus im Schuppen Eins kannst du dir einen Arbeitsplatz mieten, der mehr ist als nur Stuhl und Tisch: Hier findest du optimale Arbeitsbedingungen und gleichzeitig persönlichen Anschluss an unser team neusta. 500 Mitarbeitende aus unterschiedlichen Bereichen sitzen in deiner unmittelbaren Nähe. Unsere offenen Strukturen bieten dir Anknüpfungspunkte und Gelegenheiten zum Fachsimpeln. Nebenbei kannst du dein Netzwerk erweitern. Und wer weiß, vielleicht ist das sogar der erste Schritt in unser Team.“

12Mnkys (1. Platz beim „New Work Award 2013“) setzt den selbst entwickelten ViQ-Test ein, um Arbeitnehmer besser zu verstehen und Arbeitsumfelder zu optimieren. Der Test misst vollkommen visuell und unbewusst auf Basis psychographischer Items das implizite Bewusstsein und liefert so Informationen über die Persönlichkeitsstruktur von Menschen.

Zitat: „Durch das gemeinsam entschiedene Offenlegen der Ergebnisse ergibt sich ein vollkommen neues Arbeitsklima. Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt.“
(http://www.12mnkys.com/)

Quellen

 

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